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24/05/25

SPIEGELHALLE 

ABO

Die ersten hundert Tage

von Lars Werner

Regie Leonard Dick Bühne & Kostüme Alex Gahr Musik Oscar Hoppe Dramaturgie Lea Seiz
Mit Julius Engelbach, Nayana Heuer, Leonard Meschter, Ruby Rawson, Sylvana Schneider
Dauer ca. 90 Minuten, keine Pause

Drei Freund*innen treffen sich an einer Shell-Tankstelle in Tschechien mit einem ehemaligen Kommilitonen. Hundert Tage zuvor haben rechtsextreme Kräfte die Regierung übernommen und die drei haben das Exil gewählt: Roya wird aufgrund ihrer journalistischen Arbeit bedroht, Lous Gender-Studies-Lehrstuhl wurde das Geld entzogen und Marin befindet sich, laut eigener Aussage, auf einer Liste für politisch Verdächtige. Silvio hat sich fürs Bleiben entschieden und befindet sich nun in einer bedrohlichen Situation. Er braucht die Hilfe seiner Freund*innen, um seine Stellung in Deutschland zu festigen. Für diese Hilfe bietet er ihnen Gegenleistungen an, die Roya, Lou und Marin gehörig an ihren Überzeugungen zweifeln lassen.

"Die ersten hundert Tage" ist ein Stück über rechte Radikalisierung in Europa und ihre Auswirkungen bis ins Private. Autor Lars Werner skizziert das Porträt einer ziellosen Generation hoch politisierter Menschen, deren Ideale im heutigen Europa des Populismus und der Abschottung immer weniger fruchtbaren Boden finden. Das Team um Regisseur Leonard Dick wird dieses packende und hochpolitische Freundschaftsdrama inszenieren und anhand dieser auseinanderdriftenden jungen Menschen das Phänomen einer zunehmend gespaltenen Gesellschaft untersuchen.

IM RAHMEN DES BODENSEEFESTIVALS 2025 „FREIHEIT”

Termine und Tickets

Mai
Samstag, 24.05.2025 | 20:00 Uhr | Tickets (Premiere)
Sonntag, 25.05.2025 | 20:00 Uhr | Tickets 
Dienstag, 27.05.2025 | 20:00 Uhr | Tickets *
Mittwoch, 28.05.2025 | 15:00 Uhr | Tickets 
Freitag, 30.05.2025 | 19:30 Uhr | Tickets 
Samstag, 31.05.2025 | 20:00 Uhr | Tickets 
 
Juni
Sonntag, 01.06.2025 | 18:00 Uhr | Tickets 
Mittwoch, 04.06.2025 | 20:00 Uhr | Tickets
Donnerstag, 05.06.2025 | 19:30 Uhr | Tickets 
Freitag, 06.06.2025 | 19:30 Uhr | Tickets
Samstag, 07.06.2025 | 20:00 Uhr | Tickets 
Donnerstag, 12.06.2025 | 20:00 Uhr | Tickets 
Freitag, 13.06.2025 | 19:30 Uhr | Tickets 
Samstag, 14.06.2025 | 20:00 Uhr | Tickets

* Ermäßigter Eintritt am Theaterspartag

Presse

… so hat Lars Werner hiermit einen Stoff geschaffen, der uns bewusst dazu zwingt, nicht weg-, sondern hinzuschauen. Und das bei einer Thematik, dessen hier beschriebenes Szenario von 14 Landräten, sechs Bürgermeistern und einer Landesregierung in Händen dieser Partei, die hier bewusst nicht genannt wird. Dabei schafft es Regisseur Leonard Dick eindrucksvoll, durch einen nie abreißenden Spannungsbogen dem Publikum diese Szenarien immer wieder vor Augen zu halten, ohne dabei ein einziges Mal den Zeigefinger zu erheben.
Philipp Findling, Singener Wochenblatt, 26.05.25

... Die Schauspieler*innen überzeugen durch ein authentisches und einfühlsames Spiel, das die inneren Konflikte ihrer Charaktere eindrucksvoll zum Ausdruck bringt. So eröffnet das Stück über das Politische hinaus einen Raum ins Private. Der gesellschaftliche Zusammenbruch unserer Demokratie verläuft parallel mit dem Bruch dieser langjährigen Freundschaften. (...) Das Stück fordert sein Publikum heraus, sich mit Fragen wie dieser auseinanderzusetzen und dei eigene Haltung zu reflektieren. Ist "Nie Wieder" wirklich Jetzt - oder ist es dafür eigentlich schon zu spät?
Veronika Fischer, Saiten, 26.05.25

„Die ersten hundert Tage“ hat auch Suspense-Momente, die in Dicks Inszenierung gut zum Tragen kommen. Auf dieser von Alex Gahr eingerichteten Bühne ist alles möglich. Der dröhnende Filmmusiksound von Oscar Hoppe suggeriert dramatische Spannung. Der Inszenierung geht es allerdings um mehr, als das Publikum in seiner politischen Wahrnehmung zu festigen. Leonard Meschter (Silvio), Nayana Heuer (Roya), Julius Engelbach (Marin) und Ruby Rawson (Lou) spielen sehr dialogstark, werfen sich voll und ganz in jede sich bietende verbale Auseinandersetzung. Das kommt so persönlich rüber, dass man stellenweise fast den politischen Hintergrund vergessen könnte. (...) Die Inszenierung sorgt dafür, dass ihr Publikum dranbleibt am so beklemmenden wie spannenden Bühnenstreit.
Maria Schorpp, Südkurier, 27.05.25

Rund ums Stück

Preview für Pädagog*innen
Donnerstag, 22.05.2025 | 18:30 Uhr | Spiegelhalle
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich via: junges-theater@konstanz.de 

Einführungen durch die Dramaturgin
Dienstag, 27.05.2025 | 19:30 Einführung im Foyer Spiegelhalle
Freitag, 30.05.2025 | 19:00 Einführung im Foyer Spiegelhalle
Mittwoch, 04.06.2025 | 19:30 Einführung im Foyer Spiegelhalle
Donnerstag, 05.06.2025 | 19:00 Einführung im Foyer Spiegelhalle
Donnerstag, 12.06.2025 | 19:30 Einführung im Foyer Spiegelhalle
Freitag, 13.06.2025 | 19:00 Einführung im Foyer Spiegelhalle

Content Note

Das Team des Theater Konstanz setzt immer wieder einen Schwerpunkt auf aktuelle Stoffe und Stücke zeitgenössischer Autor*innen. Das Verhandeln von gesellschaftlichen Konflikten ist uns wichtig und kann erlebbar machen, dass und wie unsere Wirklichkeit gemacht, hergestellt – und deswegen auch veränderbar ist. Diese Auseinandersetzung mit konfliktreichen Themen auf einer sinnlichen, gespielten Ebene kann und möchte bewegen.

Je nach persönlicher Sensibilisierung können solche Auseinandersetzungen als (zu) schmerzhaft empfunden werden. Im Sinne einer transparenten Kommunikation und im Bewusstsein darüber, dass Stückinhalte aufgrund von individuellen Erfahrungen verschieden erlebt werden, gibt es hier zusätzliche Informationen über Inhalte, die wir als sensibel einstufen. Diese Hinweise zu sensiblen Inhalten – auch Content Notes – weisen darauf hin, dass bestimmte Themen auf der Bühne verhandelt werden, die starke Reaktionen auslösen können. Ein Kritikpunkt an Content Notes ist, dass sie Teile der Inszenierung vorwegnehmen können. Im Sinne einer selbstbestimmten Entscheidung wird es im Folgenden jeder und jedem Einzelnen überlassen, die inhaltlichen Hinweise zu lesen oder nicht.

Die ersten hundert Tage Content Note:

Die Inszenierung setzt sich mit dem Szenario einer rechtsextremen Regierung in Deutschland auseinander, dabei werden Themen wie politische Verfolgung (u. a. konkret: Polizeikontrollen), Rassismus und Transphobie (u. a. konkret: Deadnaming) verhandelt. Außerdem kommt es zum Einsatz von Bühnennebel.

Die Suche nach Wegen, einen Dialog wiederherzustellen - Regisseur Leonard Dick im Gespräch mit Dramaturgin Lea Seiz

Lea Seiz: Für uns war zentral, dass das Stück „Die ersten hundert Tage“ von Lars Werner Teil unseres Programms dieser Spielzeit ist. Bei der Auswahl war auch die Kombination mit Deiner Regie zentral. Warum war und ist Dir wichtig, diesen Text auf die Bühne zu bringen?

Leonard Dick: Mir war es vor eineinhalb Jahren wichtig diesen Text auf die Bühne zu bringen, weil ich die Menschen vor der geplanten Bundestagswahl im Herbst 2025 aufrütteln wollte. Ein letzter politischer Akt, um irgendetwas entgegenzubringen in meinen geringen Mitteln als Individuum. Jetzt wurde die Bundestagswahl vorgeschoben und man könnte meinen, dass wir nochmal mit einem blauen Auge davon gekommen sind. Aber das stimmt natürlich nicht. Dieser schleichende Prozess hält an und wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, in welche rechtsextreme Richtung sich das Volk bewegt. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass wir auf eine gesellschaftspolitische Katastrophe zulaufen. Und auch wenn ein tägliches Erinnern nervend und anstrengend sein kann, so ist dieser Versuch eines Dialogs und ein Hinweisen darauf wichtig!

Lea Seiz: In der Vorbereitungszeit haben wir davon gesprochen, dass Lars Werner mit dieser Erzählung von der Machtergreifung einer rechtsextremen Regierung ein Gedankenexperiment durchführt – dem „Was wäre, wenn?“ nachgeht. Wie fühlt es sich inzwischen an, dieses „Gedankenexperiment“ zu inszenieren?

Leonard Dick: Es tut weh, weil sich dieses Gedankenexperiment eben nicht mehr nach Experiment anfühlt. Nicht mehr nach einer weit entfernten Dystopie. Es fallen teilweise Sätze in Lars Werners Text, die Realität geworden sind. Zum Beispiel, dass die im Stücktext sogenannte rechtsextreme Partei bei 26% der Wählerstimmen liegt. In unserer gegenwärtigen Realität hat in den letzten Sonntagsumfragen eine bestimmte Partei, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, genau diesen Prozentsatz erreicht. Teilweise sitze ich auf den Proben und will es selber nicht glauben. Will am liebsten einfach eine Komödie inszenieren und wegschauen. Aber genau darin liegt der Fehler. Wir MÜSSEN hinschauen. Wir MÜSSEN den Dialog aufrecht erhalten mit unseren Mitmenschen. Auch wenn es weh tut.

Lea Seiz: Das Stück erzählt von vier persönlich und politisch auseinanderdriftenden Menschen, die sich nach einiger Zeit wieder treffen. Ist das Motiv einer gespaltenen Gesellschaft für Dich Teil unserer Gegenwart oder ein Narrativ, das wir eigentlich hinterfragen müssten?

Leonard Dick: Ich kann nicht für eine ganze Nation sprechen, das wäre vermessen. Diese Spaltung zu beschreiben, würde zu viel Zeit einnehmen und viel zu viele Seiten im Programmheft. Streng genommen könnte das jede Frage. Aber ich kann von meinen Beobachtungen sprechen, die ich in meinen wenigen Bubbles erfahre. Und ich sehe bei den Menschen eine sehr große Unsicherheit und Angst vor der Zukunft, unabhängig davon, welcher politischen Richtung sie zugehören. Diese Gemeinsamkeit ist erstmal etwas Positives, auch wenn das paradox klingen mag. Aber mir scheint es, dass wir leider so funktionieren: Je größer unsere Angst, desto fatalistischer werden wir und suchen schnell eine „einfache“ Ursache für unser Verhalten. Und genau da liegt der Fehler. Wir können ewig darüber reden, dass wir gespalten sind. Auf Gruppierungen zeigen, die vermeintlich der Grund dafür sind. Aber ständig hervorzuheben, dass wir als demokratische Gesellschaft nicht zusammen kommen, löst das Problem nicht und führt in meinen Augen eher dazu, dass man diese „Spaltung" immer weiter verinnerlicht. Normalisiert. Wir verraten somit unsere demokratischen Werte. Jetzt habe ich doch für eine ganze Nation gesprochen. Naja … Ich für meinen Teil suche vielmehr nach Wegen in meiner Kunst, wie wir einen Dialog wieder herstellen. Auch in „Die ersten hundert Tage“ sehen wir, wie sich die Freund*innen trotz größtmöglicher Spaltung durchringen zu einem Treffen. Sie überwinden sich. Das schmerzt und verlangt, das Ego kurz zu vergessen, aber alleine dieser Akt ist so unglaublich wertvoll. Mittlerweile schon utopisch. Leider.

Lea Seiz: Beziehungen und Freundschaften zerbrechen in den letzten Jahren immer mehr an moralischen, gesellschaftlichen und politischen Fragen. Gibt uns das Stück Möglichkeiten, damit umzugehen?

Leonard Dick: Es hält erstmal die Lupe darauf, was ich gut finde. Viele toxische Verhaltensmuster, die wir in freundschaftlichen und familiären Beziehungsdynamiken ausleben, können wir dort als Extrakt auf der Bühne beobachten. Hoffentlich fühlt sich die ein oder andere Person ertappt. Ich glaube, diese zweijährige Sendepause zwischen den Freund*innen im Stück ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie unglaublich verletzend es ist, wenn wir aufhören miteinander zu sprechen. Wenn wir stur auf unserer Position beharren und keine Toleranz für andere Blickpunkte haben. Verdrängung führt nie zu einer Lösung. Dafür muss ich kein Psychologe sein. Also schnappt euch euer Auto, oder noch besser euer Fahrrad, oder nehmt den nächsten Zug und fahrt zu euren „Problemen“ hin und redet! Es wird weh tun, aber es hilft!

Lea Seiz: Worauf arbeitest Du gemeinsam mit Deinem Team mit dieser Inszenierung hin, was möchtest Du dem Publikum mitgeben?

Leonard Dick: Ich versuche mit dem gesamten Team vor allem widersprüchliche Charaktere zu zeichnen, die wir nie ganz durchdringen, aber trotzdem nachvollziehen können. Wenn wir das schaffen, dann glaube ich ganz fest daran, dass die größtmögliche Identifikation für die Zuschauer*innen mit den Figuren auf der Bühne geschieht. Und wenn wir das erstmal  schaffen, was ein unglaublicher Kraftakt für die Spielenden ist, dann haben wir schon mal ganz viel richtig gemacht und dienen automatisch dem brisanten politischen Inhalt des Textes.

Lea Seiz: Wie schaut der Stücktext in die Zukunft? Gibt es in diesen ersten hundert Tagen auch einen „hoffnungsvoll radikalen“ Blick?

Leonard Dick: Ich will das Ende nicht spoilern, darum ist es schwierig darüber zu reden. Aber dort gibt es einen Moment, der mir Hoffnung gibt. Stichwort: aktiv werden und nicht wegschauen. Denn bei aller Liebe zum Dialog mit unseren Mitmenschen, gibt es auch gewisse politische Entscheidungen, die wir nicht dulden dürfen, weil sie höchst antidemokratisch sind. Außerdem gibt es dort draußen Menschen, die andere verfolgen und auslöschen wollen. Hier gibt es keine Chance auf einen Dialog, hier muss man  selber aktiv werden. Hier muss man als solidarische Masse auf die Straße und protestieren, den Finger auf die Wunde legen und vor allem nicht wegschauen! Jeden Tag aufs Neue dafür kämpfen!

Audioeinführung von Dramaturgin Lea Seiz

Theater Konstanz
Foto: Ilja Mess
Theater Konstanz
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